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Seit Anbeginn der Zeiten haben die Menschen Dinge ertauscht, die sie nicht selbst erzeugen konnten. Später setzte sich in Europa der Handel als eigenständiger Beruf durch. Dabei reden wir hier nicht von den Überschussproduktionen der Bauern oder Handwerker, die diese an den Mann oder die Frau brachten. Auch interessiert uns nicht der Kleinhändler oder Krämer, der seine Waren auf Schragen oder von seinem Karren zum Kauf anbot. Wir beschäftigen uns hier mit dem Handelsherrn, der seine Waren in großem Maßstab und über weite Strecken handelte.
Kaufleute waren noch bis in das Hohe Mittelalter hinein dem christlichen Empfinden suspekt: sie kauften Waren zu einem Preis ein und verkauften sie zu einem höheren, d. h. sie lebten nicht von der Arbeit im Schweiße ihres Angesichts. Das setzte sie in bedenkliche Nähe zu den Wucherern, deren Seelen der ewigen Verdammnis anheim fielen. Aus diesem Grund war das Geschäft mit Waren und Geld für lange Zeit die Domäne der Andersgläubigen, in erster Linie der Juden, die aus diesen Geschäften ihren Reichtum gewannen.
Erst allmählich setzte ein Umdenkungsprozess ein: so blieb beispielsweise Berthold von Regensburg (geb. um 1210, gest. 1272, deutscher Franziskaner, der wohl volkstümlichste Prediger des Hochmittelalters oder, wie auf seiner Homepage vermeldet: "Bettelmönch und Publikumsmagnet") zwar stets dem Denken des mittelalterlichen Christentums verbunden, doch berücksichtigte er das Bedürfnis der Menschen, irdischen Sorgen und materiellen Wünschen Ausdruck zu verleihen. Berthold von Regensburg predigte u. a., dass jeder Mensch auf dem ihm von Gott zugewiesenen Platz sein Bestes zu geben hätte, auch der Kaufmann.
Im 13. Jahrhundert gab man die bis dahin geltende Dreiteilung der
Gesellschaft in Priester, Krieger und Bauern zugunsten eines erweiterten
Weltbildes weitestgehend auf: nicht mehr die Dreizügigkeit der
Gesellschaft nach dem Bilde der göttlichen Dreieinheit, vielmehr die
zehn Chöre der Engel spiegelten die weltliche Ordnung wieder. Dabei
entsprachen den drei obersten Chören die Priester mit dem Papst an
der Spitze, die Mönche und die weltlichen Richter und Herren mit dem
Kaiser an der Spitze. Die beiden ersten Chöre waren für das
Seelenheil zuständig, zu den Aufgaben des dritten gehörte u. a.
der Schutz der Witwen und Waisen. Die Oberen müssen ihre Untergebenen
vor Diebstahl, Raub und Brandstiftung bewahren, ebenso wie vor Juden,
Heiden und Häretikern. Ihnen waren die übrigen, einander
gleichwertigen Chöre untergeordnet.
Dabei gehörten zur ersten dieser Gruppen diejenigen, die Kleidung,
Schuhe und alles zur Kleidung Gehörige herstellten, zur zweiten die
mit eisernen Werkzeugen Arbeitenden. Den dritten Chor oder Dienst bildeten
die Kaufleute, die Verkäufer von Lebensmitteln inklusive der Getränke
den vierten Chor. Die Bauern und Ärzte verkörperten den fünften
und sechsten Chor.
Und es gab auch noch den zehnten Chor, der den von Gott abgefallenen
Engeln entsprach, die sich Satan angeschlossen hatten. Ihm wurden die
Gaukler und Schauspieler zugerechnet, deren Seelen dem Verderben
preisgegeben waren.
Mit diesem 'überarbeiteten' Gesellschaftsbild ließen sich nun auch die städtischen Stände, allen voran auch der Kaufmann (koufman) in das religiös untermauerte Weltbild einordnen. In den Augen des Predigers sind die gesellschaftlichen Interessen nichts anderes als Gebote Gottes.
Die eigentlichen Aufgaben des Kaufmanns sind seit jeher unverändert geblieben: er kauft Waren und verkauft sie mit Gewinn. Dieser Gewinn dient einerseits seinem Lebensunterhalt, andererseits der Fortführung seines Geschäftes, also dem Kauf neuer Waren oder auch beispielsweise der Investition in effektivere Transportmittel.
Für jeden Kaufmann war und ist der Umgang mit Zahlen
unverzichtbares Handwerkszeug. Im Mittelalter konnte er sich dazu eines
Rechenmeisters bedienen oder er musste selbst die Rechenkunst
erlernen.
Ebenso musste er selbst das Schreiben beherrschen, wenn er sich aus der
Abhängigkeit von Schriftkundigen lösen wollte.
Ferner musste er, sofern er nicht nur in der unmittelbaren Umgebug kaufmännisch
tätig sein wollte, den Umgang mit den verschiedenen Währungen
und Masseinheiten der jeweils zu bereisenden (Klein-) Staaten beherrschen.
Je nach Weite der Reise kamen noch unterschiedliche Sprachen zum Tragen.
Diese Erfordernisse machten die Kaufleute, insbesondere die Fernhändler zu den ersten, die spätere Generationen mit dem Begriff des "Bildungsbürgertums" charakterisieren würden. So waren es beispielsweise in Köln die Kaufleute, die die Errichtung der ersten (1388) bürgerschaftlich gegründeten Universität Deutschlands erreichten.
Quellen und Literatur: | |
Aron J. Gurjewitsch: |
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© Manfred Wolber | Letzte Aktualisierung: 28.10.2002 |